Glückliche Tage

2014-06-11 09-28-10_0022Seit langer Zeit wieder eine Hochzeitseinladung ganz nach meinem Geschmack: Keine Kleiderordnung, keine Reden, keine Spiele, kein Gottesdienst, keine Geschenkvorschriften. Ein großes Fest am Abend, Essen und Musik und sonst nichts. Wir waren schon auf Burgen am Rhein, auf Hochzeiten, die sich über drei Tage zogen. Standesamt, Kirche, Fest. Eine Hochzeit fand in zwei Ländern statt. Schon Monate vorher trafen sich die Gäste jeden zweiten Sonnabend, um zu überlegen: Wie das Zelt dekoriert werden sollte. Ob auch das Boot geschmückt werden sollte, mit dem man auf die Insel, auf der sich das Zelt befand, übersetzen würde. Was die Brautjungfern an den diversen Terminen tragen würden.

Erstaunlicherweise ist bisher nur eine dieser Ehen auseinandergegangen, nämlich die, bei der das Brautpaar 24 weiße Tauben in den Himmel steigen ließ. Die Tauben kann man im Duo, im 6er-oder 24er Bündel bestellen, geliefert werden sie in einem großen Korb. Wenn das Paar endlich mit Nagelscheren ein Herz in ein großes Laken geschnitten, der Bräutigam die Braut geschultert und hindurchgetragen hat, wird der Korb aufgeklappt und die Vögel steigen in den Himmel, ohne in der Aufregung auf die Braut zu kacken.

Das klingt gehässig und auch neidisch. So als wäre meine Hochzeit nicht der glücklichste Tag meines Lebens gewesen. War er auch nicht, es war ein ganz normaler Mittwoch, wir waren zu zweit auf dem Standesamt und hatten außer den nötigen Papieren nichts dabei. Keine Ringe, keine Trauzeugen, keine Gäste und auch keinen Fotoapparat. Auf der Rückfahrt vom Standesamt wurde mein mir frisch Angetrauter beinahe von einer Autofahrerin umgefahren, die sich auf den Radweg verirrt hatte. Auf den Schreck aß ich zwei Stück Torte und trank Cappuccino, mein Mann sicher Limonade oder einfach nur Wasser. Ich erinnere mich nicht mehr genau. Danach radelten wir nach Hause, Mittagschlaf machen.

Der nächste potenziell glücklichste Tag wäre die Geburt unseres ersten Kindes gewesen. Nach der Erleichterung, dass das Kind heil heraus war, fragte ich mich, wann so ein Neugeborenes etwas essen muss und wann es einmal so richtig schreit und ob es jemals die Augen aufmachen wird. Dann wurde das zweite Kind geboren, da wusste ich schon wie alles funktioniert. Vielleicht werde ich auf meinem Sterbebett an diese beiden Tage zurückdenken und erkennen, dass das die schönsten Tage meines Lebens waren. Vielleicht darf es auch nur einen geben, dann werde ich mich entscheiden müssen.

Vielleicht steht er mir kurz bevor. Nicht der Tod. Der Tag, der alle vergangenen und kommenden Tage übertrifft. Wir werden die an den möglicherweise glücklichsten Tagen unseres Lebens geborenen Kinder zum möglicherweise glücklichsten Tag im Leben unserer Freunde mitnehmen. Vielleicht klappt’s.


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