Deutsche Lappen sind die besten

Die Drogerie nebenan ist meiner Cousine zum Verhängnis geworden. Den Großteil ihres Geldes, das sie sich für ihre Sommerferien in Berlin mitgebracht hatte, hat sie dort gelassen. Sie hat es für Putzlappen, Staubwedel, Flaschenbürsten, Spültücher, Einweghandschuhe, Teefilter, Scheuerlappen, Einmal- Waschlappen und Fensterleder ausgegeben. „Das gibt es in der Türkei doch auch“, sage ich zu ihr.

Sie kniet auf ihrem Koffer, und sobald sie das Gewicht verlagert, quellen die Spülschwämme an den Ecken heraus. Der Reißverschluss lässt sich kaum schließen. „Eure Putztücher sind besser“, sagt sie. Ich weiß, ich bin damit groß geworden: „Made in Germany“ schlägt „Made in Turkey“, selbst wenn das, was im deutschen Laden verkauft wird, in Wahrheit „Made in China“ ist. „Meine Mutter wird sich riesig freuen“, sagt meine Cousine.

Ich stelle mir vor, es wäre meine Schwester, die seit 40 Jahren in einem Land lebte, von dem ich schon allerhand gehört hätte, in dem ich selbst aber noch nie gewesen wäre, und meine erwachsene Tochter wäre die Erste, die ihre Tante in der Ferne besucht. Nach Wochen käme das Kind zurück, es würde sich mir am Flughafen in die Arme werfen und am Abend seinen prall gepackten Koffer auspacken. Und dann spränge mir ein Dreierpack Topfreiniger entgegen, dazu eine Spülbürste und eine Tüte mit baumwollgefütterten Spülhandschuhen, wie es sie auch im Kaufhaus in meiner Straße gibt „Schwammtücher aus der EU! Deutsche Lappen in freundlichem Orange und frechem Apfelgrün!“, würde ich rufen und meine Tochter an die Wange drücken.

Meine Cousine quetscht ungerührt weiter, der Koffer lässt sich erstaunlicherweise doch schließen und wiegt nur wenig mehr als die erlaubten 20 Kilo. „Gegen anderthalb Kilo mehr wird sicher niemand etwas haben“, sagt meine Cousine.

Meine Mutter, meine Tanten, die meisten türkischen Frauen, die ich kenne, putzen viel. Sie putzen Dinge, die ich noch nie in meinem Leben geputzt habe, die Wohnungstür zum Beispiel. Das Fensterbrett auf der Fassadenseite. Das Stück Regenrinne, das man vom Balkon aus erreichen kann. Sie waschen das Geschirr, das gespült werden soll, erst mit heißem Wasser ab, dann mit Seifenwasser und hinterher nochmal mit heißem.

Doch, doch, meine Cousine kennt ihre Mutter gut. Meine Tante wird jauchzen beim Anblick der Mikrofasertücher.


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