Autor: Dilek Güngör

  • Vom Vorteil des Visums

    Meine Cousine aus der Türkei kam uns letzten Sommer besuchen. Sie war die Erste in der Familie, die sah, wie und wo Onkel und Tante seit 40 Jahren leben. Einfach nach Deutschland fliegen können meine Verwandten nicht. Die meisten haben keine Reisepapiere – wozu. Einen Pass braucht nur, wer verreist. Die meisten verreisen nicht, ein…

  • Weniger Salat ist keine Lösung

    Ich habe Blumensamen gekauft, um Pflänzchen für den Balkon zu ziehen. Ich hatte schon einen Stapel Plastikbecher in der Hand, habe sie aber doch liegen gelassen, weil ich die Samen stattdessen in mit Erde gefüllte Pappbecher stecken werde. Pappbecher bekommt meine Freundin jeden Morgen beim Bäcker, bei dem sie sich ihren schwarzen Tee holt. Die…

  • Offensichtliche Ungerechtigkeit

    Die jungen Frauen, lese ich, wollen keine Feministinnen sein. Wie kann man keine Feministin sein, wenn man eine Frau ist? Kaum, dass ich das gedacht habe, fällt mir die Bemerkung einer Freundin ein: Wie kann man Türkin sein, sagte sie, und sich nicht für die Belange der Türken in Deutschland interessieren? Immerhin hatte sie mir…

  • Mit Notizblock durch die Nacht

    Notizen helfen mir beim Denken. Andere Menschen ziehen sich dazu Laufschuhe an und gehen joggen. Wieder andere sind in der glücklichen Lage, dass sie schon beim Denken denken können. Für mich wäre das ideal. Nachdenken, während man nachdenkt. Ich muss aber nebenher schreiben. Nebenher stimmt nicht, erst schießt mir etwas in den Kopf, und damit…

  • Eine Bank für eine Pobacke

    Mit 40 steht man mit einem Bein schon im Grab“, sagte mein Vater früher. Da meine Eltern recht früh Eltern geworden sind, kann ich mich gut an diesen Satz erinnern und auch daran, dass der 40. Geburtstag meines Vaters noch in weiter Zukunft lag. Inzwischen ist er 66, und er steht noch immer mit einem…

  • Bezahlt wird nicht

    Meine Eltern haben einen Computer und mindestens ein Laptop. Es könnte sein, dass in ihrem Keller ein, zwei oder drei weitere Geräte liegen, die nicht mehr richtig funktionieren. Sie warten dort auf den Tag, an dem meine Eltern jemanden kennenlernen, der sich mit kaputten Laptops auskennt. Der Computer in der Werkstatt meiner Mutter funktioniert, aber…

  • Schwarz und weiß

    Wir blättern durch das neue Katzenbuch meiner Tochter, darin sind Perser-Katzen, Siam-Katzen, Sphinx-Katzen und allerlei andere Rassen abgebildet. Die Perser-Katze sei die schönste Katze, sagt sie, die Sphinx dagegen die hässlichste. Wenn man sechs Jahre alt ist, sind die Präferenzen noch klar. Schön ist schön und hässlich ist hässlich. Lange hatte ich mir die Welt…

  • Besser als jede Knusperhexe

    Als Hausaufgabe sollte meine Tochter ihre Großeltern fragen, wie die Schule früher war und ein Bild dazu malen. Sie hörte sich zunächst am Telefon die Erzählungen ihres Großvaters väterlicherseits an. Der erzählt sehr detailreich, und je länger er redet, desto mehr fällt ihm wieder ein. Wenn er abschweift, und das tut er oft, spannt er…

  • Das beweinte Plüschtier

    Vor ein paar Wochenhaben wir die Kinder übers Wochenende zu meinen Eltern nach Schwäbisch Gmünd gebracht. Mein Mann und ich fuhren weiter in die Schweiz. Das Haus meiner Eltern lag quasi auf dem Weg. Als wir wieder zurück in die Kleinstadt in Baden-Württemberg kamen, sah ich die Überraschung schon durch die Terrassentür. Dass sie Sabrina…

  • Der Mann im Haushalt

    Als sich meine Eltern gerade selbstständig gemacht hatten, wurde meine Mutter von ihren Freundinnen bemitleidet. Besonders von Waltraud. „Jetzt hast du deinen Mann den ganzen Tag um dich, jetzt ist er den ganzen Tag zu Hause.“ Im Keller ihres Hauses richtete sich meine Mutter eine kleine Schneiderei ein, mein Vater polsterte nebenan Möbel. Davor hatten…